Medizin

Atemtraining kann Blutdruck senken

Nur fünf Minuten Widerstandsatmung täglich verringern Blutdruck genauso gut wie Sport

Atemtraining
Das für das Atemtraining nötige Gerät ist nur so groß wie ein Rasierapparat. © Casey A. Cass/ University of Colorado

Klingt fast zu schön um wahr zu sein: Eine spezielle Art des Atemtrainings kann den Blutdruck effektiv und nachhaltig senken. Dafür reicht es, fünf Minuten täglich über ein kleines Filtergerät gegen einen Widerstand einzuatmen, wie eine Studie belegt. Bei den Teilnehmern sank der Blutdruck dadurch in sechs Wochen um neun Millimeter Quecksilber – und blieb selbst nach Ende des Trainings wochenlang gesenkt.

20 bis 30 Millionen Menschen in Deutschland leiden unter einem zu hohen Blutdruck. Meist ist dabei die Lebensweise schuld: Zu wenig Bewegung, Übergewicht, falsche Ernährung und Stress versteifen mit der Zeit die Blutgefäßwände und behindern die Adern beim Ausdehnen. Dies lässt den Blutdruck auf Werte von mehr als 140/90 Millimeter Quecksilber (mmHg) ansteigen. Auf Dauer schadet ein solcher Bluthochdruck den Gefäßen, dem Herzen, dem Gehirn und anderen Organen und kann zu Herzinfarkt, Schlaganfall oder Nierenschäden führen.

Neben Medikamenten kann vor allem regelmäßiger Sport den Blutdruck senken helfen, doch nur wenige Betroffene schaffen es, die dafür nötigen 150 Minuten Joggen, Fitnessstudio oder Ähnliches pro Woche in ihren Alltag zu integrieren.

Einatmen gegen Widerstand

Eine mögliche Alternative könnten jetzt Daniel Craighead von der University of Colorado in Boulder und seine Kollegen entdeckt haben. Die Idee gab ihnen ein Atemtraining, das bisher vor allem für Patienten mit chronischen Lungenleiden oder zur Rehabilitation nach schweren Atemwegserkrankungen eingesetzt wird. Dabei atmen die Patienten durch ein Gerät, das dem Einatmen eine erhöhten Widertand entgegensetzt – ähnlich als würde man durch eine sehr dicke FFP2-Maske einatmen.

Der erhöhte Atemwiderstand bei diesem sogenannten inspiratorischen Muskeltraining (IMST) stärkt im Laufe der Zeit die Atemmuskulatur und das Zwerchfell. Gleichzeitig jedoch beeinflusst die intensive Atemanstrengung auch Lungen, Herz und das autonome Nervensystem – und hat darüber auch weitreichender Effekte auf unseren Körper. An diesem Punkt setzt die Studie von Craighead und seinen Kollegen an: Sie wollten wissen, ob dieses Atemtraining möglicherweise auch den Blutdruck positiv beeinflussen kann.

Training bequem vor dem Fernseher

An der Studie nahmen 36 Testpersonen zwischen 50 und 79 Jahren teil, die an Bluthochdruck litten, aber ansonsten gesund waren. Die Hälfte von ihnen bekam sechs Wochen lang das etwa handgroße Atemgerät mit nach Hause und sollte fünf Minuten täglich damit trainieren. „Das IMST kann damit ganz bequem selbst vor dem Fernseher erledigt werden“, sagt Craighead.

Der Einatemwiderstand des Geräts lag dabei so hoch, dass zwischen 65 und 75 Prozent der maximalen Sogkraft nötig war, um genügend Luft zu bekommen. Die Kontrollgruppe erhielt dagegen ein Gerät mit nur 15 Prozent Einatemwiderstand als Placebo. Zu Beginn der Testperiode und nach sechs Wochen wurde bei allen Testpersonen der Blutdruck gemessen, außerdem führte das Team verschiedene Tests durch, um die Elastizität und Weitungsfähigkeit der Blutgefäße zu kontrollieren.

So funktioniert das Atemtraining gegen Bluthochdruck.© University of Colorado at Boulder

Blutdruck sinkt, Adern werden dehnbarer

Das Ergebnis: Während der Blutdruck bei der Kontrollgruppe gleich blieb, sank er bei der IMST-Gruppe in den sechs Wochen von durchschnittlich 135 mmHg auf nur noch 126 mmHg – und damit im Schnitt um neun Punkte. „Diese Blutdrucksenkung übertrifft teilweise sogar die durch aeroben Sport und andere Lebensstil-Strategien erreichbaren Effekte“, betont das Forschungsteam. Im Gegensatz zu diesen Interventionen koste das IMST aber nur fünf Minuten täglich.

Messungen zeigten zudem, dass sich die Dehnungsfähigkeit der Arterien um 45 Prozent verbessert hatte und dass die Konzentration von Stickstoffmonoxid (NO) in den Gefäßwänden erhöht war. Stickstoffmonoxid gilt als Schlüsselmolekül für die Weitung der Adern und als Gegenspieler von Arteriosklerose. Auch Biomarker für Entzündungen und oxidativen Stress waren bei der IMST-Gruppe zurückgegangen, wie die Wissenschaftler berichten.

„Das IMST ist aber nicht nur zeiteffektiver als traditionelle Sport-Programme, die Wirkung könnte auch länger anhalten“, sagt Craighead. Denn der Blutdruck der Probanden blieb noch sechs Wochen nach Ende des Atemtrainings auf dem neuen, niedrigeren Wert.

Mechanismus noch unklar

„Dies ist die erste Studie, die die blutdrucksenkende Wirkung von IMST-Atemtraining bei ansonsten gesunden Bluthochdruck-Patienten im mittleren Alter belegt“, konstatiert das Forschungsteam. „Damit haben wir eine neue Therapieform identifiziert, die den Blutdruck senkt, ohne dass Patienten Medikamente einnehmen müssen – und mit einer höheren Durchhaltequote als bei einem aeroben Sportprogramm“, ergänzt Craigheads Kollege Doug Seals.

Wie genau das Atemtraining den Blutdruck beeinflusst, ist noch unklar. Craighead und seine Kollegen vermuten aber, dass der erhöhte Atemwiderstand körperliche Signale auslöst, die die Blutgefäße dazu bringt, vermehrt Stickstoffmonoxid zu bilden. Das wiederum erhöht die Dehnbarkeit der Adern und senkt so den Blutdruck. Gleichzeitig scheint das IMST die Bildung von schädlichen Radikalen zu hemmen und so den oxidativen Stress der Gefäßwände zu verringern.

Folgestudie ist bereits geplant

Um mehr über die Wirkmechanismen herauszufinden, ist in den USA bereits eine Folgestudie geplant, bei der Patienten entweder zwölf Wochen Atemtraining absolvieren oder aber das klassische Sportprogramm mit 30 Minuten Bewegung täglich. Parallel dazu entwickelt das Team eine Smartphone-App, die Nutzern beim IMST zuhause anleiten soll. Dann könnte diese Atemtherapie ganz einfach mit bereits kommerziell erhältlichen Geräten durchgeführt werden.

„Es ist einfach durchzuführen, dauert nicht lange und wir denken, dass es eine Menge Potenzial hat um Menschen zu helfen“, sagt Craighead. Das gelte vor allem für die Blutdruck-Patienten, die nicht zu mehr Bewegung und Sport zu motivieren seien. Allerdings sollten Betroffene unbedingt ihren Arzt konsultieren, bevor sie eigenmächtig ein solches Atemtraining beginnen. (Journal of American Heart Association, 2021; doi: 10.1161/JAHA.121.020980)

Quelle: University of Colorado at Boulder

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